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Unser Ansatz
Das Ziel des Deep Research Fund ist es, für seine Kunden einen Ertrag zu generieren, indem Firmen sorgfältig selektioniert werden. Wir investieren nur dort, wo die Voraussetzungen bestehen, um schwierige Zeiten durchzustehen, wo mittels langfristiger Zielsetzungen geführt wird und wo hohe Nachhaltigkeitsstandards gelten. Um diese durchzusetzen, berücksichtigen wir unsere Nachhaltigkeitskriterien systematisch in allen Phasen unseres Investmentprozesses.
Ob es sich um den anfänglichen quantitativen Screening-Prozess handelt, die daran anschliessende eingehende Recherche-Phase oder die endgültige Portfoliokonstruktion: Nachhaltigkeit spielt bei jedem Schritt in unserer Entscheidfindung eine wichtige Rolle. In unserem Hintergrundpapier «Exklusion-Insight» haben wir aufgezeigt, wie wir die Unternehmen definieren, in die wir nicht investieren wollen.
Wir möchten mit diesem Beitrag zeigen, wie wir systematisch unsere Nachhaltigkeitsüberlegungen in den Anlageprozess für die Unternehmen integrieren, die uns grundsätzlich interessant erscheinen. Wir werden die verschiedenen Methoden herausarbeiten, die wir sowohl in der quantitativen wie qualitativen Phase unseres Anlageprozesses verwenden, und einige der Herausforderungen betonen, die sich uns dabei stellen. Letzten Endes hoffen wir, damit einen Beitrag zum besseren Verständnis zu leisten, wie wir das Thema Nachhaltigkeit in unsere Investitionsstrategie integrieren.
Unsere Überlegungen basieren auf zwei Pfeilern. Sie können über den ersten im Hintergrundpapier «Was bedeutet Nachhaltigkeit für uns?» mehr erfahren, der unsere internen Nachhaltigkeit-Workshops beschreibt. In diesen verdichteten wir gemeinsam unsere persönlichen Wertvorstellungen zu den wegleitenden Prinzipien für Nachhaltigkeit, die in unserem Anlageprozess eine Rolle spielen.
Der zweite Pfeiler basiert auf den Kriterien des Sustainability Accounting Standards Board (SASB). Diese definieren für jede Wirtschaftsbranche die Schlüsselthemen in Bezug auf ökologische und soziale Fragen sowie für die Herausforderungen hinsichtlich Governance. Indem wir unsere Werte mit dem stark aus Expertensicht erstellten Kriterienrahmen des SASB kombinieren, können wir ein ganzheitliches Verständnis der Nachhaltigkeit erreichen. Dies ist nicht immer einfach, da sich gewisse Aspekte von Nachhaltigkeit besser durch quantitative Recherchen und andere besser durch qualitative Analysen erfassen lassen.
Im Laufe der Zeit hatten wir viele Diskussionen darüber geführt, wie wir mit den verschiedenen Problemen am besten umgehen. In welchem Stadium des Research wird ein bestimmtes Anliegen am besten adressiert? Wie gelangen wir zu einer Entscheidung, wenn wir uns mit widersprüchlichen Sachverhalten konfrontiert sehen? Wie gehen wir vor in einer Situation, wo ein ideales Niveau nicht erreicht werden kann und eine «Gut genug»-Schwelle definiert werden muss? Um unsere Prioritäten nicht aus dem Auge zu verlieren, haben wir klar definiert, welches Nachhaltigkeitsthema am besten in welcher Etappe unseres Anlageprozesses thematisiert wird. Im Folgenden versuchen wir zu veranschaulichen, wie wir uns den verschiedenen Herausforderungen stellen.
Wie Nachhaltigkeitsfragen in unserem Research-Prozess am besten thematisiert werden
Wenn wir nach Anlagemöglichkeiten suchen, filtern wir in einem ersten Schritt das globale Firmen-Universum auf Grund rein quantitativer Parameter und reduzieren so die Zahl möglicher Kandidaten auf eine Grösse, die wir bewältigen können. Darauf folgt ein kurzer Precheck jeder dieser Firmen. Dabei spielen erstmals qualitative Aspekte eine Rolle. Die Firmen, die uns dann am besten gefallen, analysieren wir nun bis in die Details. Diese Phase nennen wir «In-depth-research stage».
Ende 2021 gab es weltweit rund 98’000 öffentlich gehandelte Unternehmen. Durch die Implementierung unserer Ausschlusskriterien grenzen wir dieses Universum auf etwa 1’500 Firmen ein. Wir screenen diese auf Grund von quantifizierbaren Faktoren, um sie auf etwa 50 zu reduzieren. Das bedeutet, dass 29 von 30 Unternehmen auf sinnvolle, nachvollziehbare und effiziente Weise ausgeschieden werden müssen. Die besten 50 Unternehmen gelangen dann in die nächste Phase des Selektionsprozesses. All das klingt vielleicht einfach. Doch wie immer steckt der Teufel im Detail.
Um unser Anlageuniversum einzugrenzen, gewichten wir die Finanz- und Nachhaltigkeitsdaten für jedes Unternehmen. In dieser Phase des Prozesses beruht die Einstufung von Aspekten der Nachhaltigkeit auf quantitativ messbaren Grössen. Wenn wir etwa die Diversität oder die Klimarisiken erfassen wollen, verwenden wir Zahlen über den Anteil von Frauen im Führungsteam respektive über den CO2-Verbrauch des Unternehmens. Dabei handelt es sich um rein quantitative Werte, die uns kein tieferes Verständnis vermitteln, warum ein Unternehmen etwa einen hohen CO2-Ausstoss hat. Dieser Ansatz entspricht demjenigen, der in dieser Phase des Researchprozesses für den Umgang mit den Finanzkennzahlen einer Firma gilt. Wir wissen also noch nicht, warum ein Unternehmen einen besonders hohen Gewinn erzielt oder eine tiefe Bewertung hat. Das kombinierte Resultat hilft uns einfach, die Research-Liste in Richtung der von uns bevorzugten Art von Firmen zu steuern. Das ist ein schneller und effizienter Weg, Unternehmen mit niedriger Nachhaltigkeitsbewertung, schwacher Wirtschaftlichkeit oder hoher Schuldenlast zu eliminieren. Der Nachteil ist, dass uns vielleicht ein Unternehmen durch die Maschen schlüpft, das sich in einem Transformationsprozess befindet. Weil wir aber diesen quantitativen Prozess zweimal im Jahr durchführen, hoffen wir, dann auf ein solches Unternehmen zu stossen, wenn sich seine Kennzahlen verbessert haben.
Die zweite Stufe unseres Anlageprozesses nennen wir die Precheck-Phase. Ein Precheck ist ein standardisierter Bericht, der von einem unserer Analysten erstellt wird. Damit stellen wir sicher, dass keines unserer «No-Go»-Kriterien verletzt wird und dass wir über eine kurze Einschätzung verfügen, welche sensitiven Fragen sich bei einer Firma stellen. Der Nachhaltigkeitsabschnitt eines Precheck-Berichts muss mehrere Fragen beantworten.
Die erste Schlüsselfrage lautet: Stimmt das spezifische Geschäftsmodell einer Firma mit unseren Werten überein? In der Vergangenheit haben wir zum Beispiel ein Unternehmen ausgeschlossen, weil wir erkannt haben, dass sein Geschäft auf der Produktion von Einweg-Bürobedarf beruht. Es gibt keinen guten Grund, warum ein Schreibstift oder eine Büroklammer nicht so produziert werden, dass sie mehrfach benutzt werden können. Wir haben deswegen dieses Unternehmen von unserer Kandidatenliste gestrichen. Ein anderes Beispiel war ein Unternehmen, das sich auf der Grundlage der Daten nicht als Rüstungsfirma identifizieren liess. Aber effektiv stammte ein erheblicher Anteil seiner Einnahmen aus Verträgen mit dem Militär. Dies sind Beispiele für Probleme, die sich allein auf der Grundlage von Zahlen nur schwer erkennen lassen.
Die zweite Schlüsselfrage lautet: Werden unsere Mindeststandards für Nachhaltigkeit eingehalten? Dafür haben wir ein Flaggensystem entwickelt, um auf einen Blick zu erkennen, wann die Nachhaltigkeitspraxis eines Unternehmens unsere Mindestkriterien nicht erfüllt (Abbildung 2: Anrepa’s Deep Research Fund Flag System). Die Kriterien für dieses Flaggensystem beruhen hauptsächlich auf den Diskussionen in unseren Workshops, also auf unseren Werten und Vorlieben. Eine rote Fahne erscheint immer dann, wenn ein Unternehmen unsere Minimalkriterien in einem bestimmten Bereich verfehlt. Dies hilft uns, frühzeitig auf ein Killerkriterium für ein Investment zu stossen und den Research zu beenden, bevor wir dafür Wochen oder Monate investiert haben.
Die dritte Schlüsselfrage in jedem Precheck-Bericht lautet: Gibt es genügend Informationen für einen vertieften, ausführlichen Researchbericht? Da wir für einen Precheck mehrere Tage aufwenden, erhalten wir einen guten Eindruck von der Transparenz und der Qualität der Berichterstattung eines Unternehmens. Das erlaubt uns ein Urteil, ob wir über genügend Informationen mit ausreichender Verlässlichkeit verfügen, um weitere Recherchen durchzuführen.
Etwa jedes zehnte Unternehmen besteht unsere Precheck-Phase. Ihnen widmen wir nun einen vollwertigen Report. Diese «In-Depth»-Phase umfasst umfangreiche Recherchen über das Geschäftsmodell, die Finanzberichterstattung, die Unternehmenskultur, die Wettbewerbsposition, die Risiken sowie das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens. Was die Nachhaltigkeit betrifft ergibt sich jetzt die Gelegenheit, hinsichtlich der Breite der Themen und der Tiefe der Analyse weit über das Niveau des Prechecks hinauszugehen. Lassen Sie uns dies anhand unserer Beispiele verdeutlichen.
Diversität wird in den frühen Forschungsstufen mit dem Parameter «Frauenanteil im Vorstand und in der Geschäftsleitung» erhoben. Wir tun dies, weil wir Geschlechterdiversität wichtig finden. Sie lässt sich auf diese Weise einfach quantifizieren, zumal Unternehmen häufig darüber in ihren Geschäftsberichten rapportieren. Während unserer «In-Depth»-Recherche vertiefen wir dann unser Verständnis von Diversität. Wir interessieren uns für die Zusammensetzung von Verwaltungsräten in Bezug auf unterschiedliche Berufserfahrung, unterschiedliches Alter und persönliche Hintergründe. Wir analysieren die Lebensläufe der Verwaltungsräte und der Mitglieder der Geschäftsleitung und beurteilen, ob diese Teams genug vielfältig sind, um das Unternehmen gut zu beaufsichtigen und erfolgreich zu leiten. Wir strichen zum Beispiel einmal ein Unternehmen von unserer Liste, weil jedes Mitglied der Geschäftsleitung aus dem Bereich Marketing kam. Eliminiert wurde auch eine Firma, deren Verwaltungsrat sich – obwohl divers in Bezug auf Geschlecht und Bildung – ausschliesslich aus Familienmitgliedern zusammensetzte, die erst noch verwandtschaftliche Beziehungen zum Management hatten. Ebenso bevorzugen wir Unternehmen, bei denen der Verwaltungsratspräsident nicht gleichzeitig auch CEO ist.
Wir glauben, dass die Trennung dieser Rollen Vorteile für die Führung des Unternehmens und das Risikomanagement bringt. Bei diesem Kriterium handelt es sich jedoch um eine Präferenz und nicht um einen harten Ausschlussgrund. Wir würden deshalb in der Precheck-Phase auf diese mögliche Schwachstelle hinweisen und folgern, hier seien weitere Abklärungen notwendig. Aber ein Ausschluss von der Research-Liste ist so lange nicht angezeigt als andere Kennzahlen der Firma unseren Kriterien entsprechen.
Wenn wir uns entschieden haben, ein Unternehmen vertieft zu analysieren, in dem der Verwaltungsratspräsident auch CEO ist, stellen wir vertiefende Fragen. Wie geht der Verwaltungsrat vor, um eine effektive Aufsicht über das Management zu gewährleisten? Ebenso interessieren wir uns für die Nachfolgepläne für beide Positionen. Wir versuchen auch in Erfahrung zu bringen, ob es allenfalls eine andere Person gibt, welche als Gegengewicht gegen die Machtkonzentration in einer Person funktioniert, etwa ein Grossaktionär, ein Gründer oder sonst eine einflussreiche Person. Diese Art von Informationen lässt sich auf quantitativem Weg nicht erhalten, weshalb wir uns erst in der «In-Depth»-Phase darauf konzentrieren. Dann verfügen wir über die Zeit, auch gründliche qualitative Analysen zu erstellen.
Im vorher erwähnten Beispiel der CO2-Emissionen haben wir uns im frühen Research-Stadium auf den CO2-Fussabdruck beschränkt, weil dies ein quantifizierbarer Wert ist, der sich leicht mit ähnlichen Unternehmen vergleichen lässt. In der «In-Depth»-Phase würden wir uns auf den Aspekt der Reduktion des CO2-Ausstosses konzentrieren. Gibt es Zielvorgaben? Können wir diesen Zielen vertrauen und sie verifizieren? Welche Massnahmen ergreifen andere, vergleichbare Unternehmen? Erscheint dabei die Firma, die wir vertieft analysieren, als Leader oder Nachzügler? Um zu verstehen, warum bestimmte Massnahmen nicht ergriffen werden, werden wir den direkten Kontakt mit dem Unternehmen suchen. Wir sprechen mit Personen innerhalb des Unternehmens und mit ehemaligen Mitarbeitern, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ernsthaft die Reduktionsbemühungen sind. Dies hilft uns bei der Einschätzung, ob das Management nur aufgrund von äusserem Druck handelt oder aber aus persönlicher Überzeugung. Hat das Management den Mut, Veränderungen in der Branche anzustossen? In dieser Phase nehmen wir uns die Zeit, wirklich tief in die Kultur eines Unternehmens einzutauchen, um besser beurteilen zu können, wo dieses heute steht und wo es morgen sein könnte.
Woher wissen wir, welche Themen eine rigorose Recherche rechtfertigen? Das Ausmass der Nachhaltigkeitsforschung in der «In-Depth»-Phase wird von den Kriterien bestimmt, die das SASB definiert hat.
Beispiel: Nachhaltigkeit & Finanzen
Unser Precheck hat ein Unternehmen für Hygieneprodukte als interessanten Kandidaten für eine «In-Depth»-Recherche identifiziert. In einem Geschäft, das uns als Massengeschäft erschien, sahen wir zu unserer Überraschung Gewinne, die deutlich höher waren als die der Konkurrenten. Angesichts der potenziellen Umweltprobleme, die sich bei Hygieneprodukten stellen, haben wir uns entschieden, die «In-Depth»-Studie mit einer Analyse der Nachhaltigkeitsfrage zu beginnen. Anhand der SASB-Kriterien wurde uns schnell klar, dass die höheren Gewinnmargen auf der Verwendung billiger (und schmutziger) Energiequellen beruhte. Im Moment, in dem das Unternehmen die angekündigten staatlichen Energie-Vorschriften einhalten muss, werden die Margen auf das Niveau der Konkurrenz sinken, die diese Vorschriften bereits freiwillig implementiert haben. Daher beendeten wir diese Recherche und gingen zur Analyse einer anderen Gesellschaft über.
Diese legen fest, welche Nachhaltigkeitsthemen für eine bestimmte Wirtschaftsbranche zentral sind. Während im Precheck die Nachhaltigkeitskriterien im Vordergrund stehen, die wir als Team wichtig finden, helfen uns die SASB-Kriterien die spezifischen Themen zu identifizieren, die für bestimmte Wirtschaftszweige bedeutend sind. Diesen widmen wir nun unsere Aufmerksamkeit.
In Abbildung 3 stellen wir ein Beispiel solcher SASB-Themen für Börsen und für Software-Firmen vor. Heute kennen die meisten Börsen keinen Ring mehr, wo Händler physisch präsent sind und Geschäfte tätigen. Vielmehr finden diese im Internet statt. Oft sind die dafür notwendigen Programme intern entwickelt worden. So könnte man meinen, Börsen- und Softwareunternehmen sähen sich mit ähnlichen Nachhaltigkeitsfragen konfrontiert. Doch der SASB macht hier deutliche Unterschiede. Deshalb finden wir es wichtig, mit diesen Kriterien zu arbeiten, wurden diese doch in Zusammenarbeit mit Experten für jede Wirtschaftsbranche entwickelt. Als Folge dieses Ansatzes unterscheiden sich die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsanalysen von Unternehmen zu Unternehmen. Was konstant bleibt, ist die Gründlichkeit der Untersuchung, der Einbezug von Finanzkennzahlen und die wegweisende Rolle der Nachhaltigkeitsanalyse für unseren Entscheid.
Während der gesamten «In-Depth»-Phase sind wir mit den Firmen mehrfach im Kontakt. Dies erlaubt es, die von uns identifizierten Nachhaltigkeitsthemen anzusprechen und auch die zukunftsweisenden Elemente der Nachhaltigkeitsstrategie zu diskutieren. Diese Diskussionen helfen auch, bei den betroffenen Firmen das Bewusstsein zu fördern, dass in Investorenkreisen Nachhaltigkeit über einen hohen Stellenwert verfügt. Zum Beispiel haben wir ein Unternehmen mit Sitz in den USA analysiert, das keine überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie kannte und sich auch keine derartigen Ziele gesetzt hatte. Dennoch waren die anderen Messgrössen im Flaggensystem so, dass sich eine «In-Depth»-Analyse rechtfertigte. Wir diskutierten mehrmals mit der Firma und wiesen auf diese Thematik hin. Weil sich die Gesprächspartner wenig interessiert zeigten, auf unsere Bedenken einzugehen, legten wir die Untersuchung zur Seite. Ein paar Monate später meldete sich das Unternehmen und sagte, unser Input habe dazu beigetragen, intern ein Umdenken anzustossen. Deswegen arbeite man nun an einer Nachhaltigkeitsstrategie. Das bewog uns, die Untersuchung wieder aufzunehmen. Wenn die Firma den Screening-Prozess übersteht, ist unser Research schon vorbereitet und kann sich auf bestehende Beziehungen zu dieser stützen.
Folgen der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in den Auswahl-Prozess
Wenn wir die Analyse einer Firma abgeschlossen haben, diskutieren wir ein mögliches Investment in die Firma in unserem Investment-Komitee. Alle Aspekte werden nochmals kritisch hinterfragt: das Geschäftsmodell, die Position im Markt, die Führung, die Firmenkultur, das Risikoprofil, die Bewertung sowie alle Nachhaltigkeitsaspekte. Jedes dieser Themen kann den Ausschlag geben, ob wir uns für oder gegen ein Engagement entscheiden. Nur eine Firma, die sämtliche unserer hohen Standards erfüllt, kommt für unser Portfolio in Frage.
Wenn ein Unternehmen zu teuer ist, investieren wir nicht, egal wie gut uns das Geschäftsmodell gefällt oder wie nachhaltig die Firma arbeitet. Und sollte ein Unternehmen unsere Nachhaltigkeitsstandards nicht erfüllen, kommt eine Beteiligung ohnehin nicht in Frage, unabhängig davon, wie attraktiv die Bewertung der Aktie ist. Jedes Kriterium verfügt gewissermassen über ein Vetorecht. Nun ist die Anzahl der Unternehmen in unserem Portfolio weitgehend stabil. Dies bedeutet, dass die Firma, die gerade im Visier unseres Research ist, besser sein muss als eine, die sich bereits im Portfolio befindet. Sollte uns das Unternehmen gefallen und entscheiden wir uns für eine Investition, dann ersetzen wir damit meistens eine unserer bestehenden Investitionen mit dem Ziel, so das Portfolio insgesamt zu verbessern.
Schrittweise versuchen wir, die Auswahl der für uns interessanten Unternehmen zu verbessern, bis schliesslich nur noch wenige übrig sind, die als potenzielle Investitionen in Frage kommen. Weil eine Neuinvestition meistens ein Portfolio-Unternehmen ablöst, liegt die Messlatte für jede neue Aktie entsprechend hoch. Gleichzeitig stellt dieser Prozess auch eine stetige Herausforderung für das aktuelle Portfolio dar. Nachfolgend zeigen wir als Beispiel anhand unserer Winterrecherche 2021 – die rund sechs Monate in Anspruch nahm – die Verbesserung der Kennziffern auf.
Sobald wir in eine Firma investiert haben, beobachten wir ihre Geschäftstätigkeit und Leistung. Wir beurteilen das Management auf der Basis seiner Versprechungen und bleiben mit ihm in Kontakt. Wir sprechen relevante Nachhaltigkeits- und Finanzthemen an, besuchen die Geschäftsräumlichkeiten und stimmen an der Generalversammlung ab. Dies alles trägt zu einer sinnvollen Beziehung mit dem Unternehmen bei. Es ist immer wieder vorgekommen, dass das Management von Portfoliounternehmen sich an uns gewandt hat, um unsere Meinung zu geschäftlichen Vorhaben zu erfragen. Ein Schifffahrtsunternehmen zum Beispiel wollte wissen, was wir über die Idee denken, Geld in die Umrüstung von Dieselmotoren auf Biokraftstoff zu investieren. Einen wirtschaftlichen Vorteil würde diese Massnahme nicht bringen. Mit ihrer Frage wollten die Verantwortlichen die Bereitschaft von Kunden abschätzen, die Mehrkosten für ein Projekt zu tragen, das zu einer Reduktion der Schadstoffemissionen führen würde. Wir haben auf die Idee positiv reagiert und freuten uns über diesen Schub für mehr umweltfreundliche Energie in einer Branche, die diesbezüglich noch einen langen Weg vor sich hat.
Abschliessende Überlegungen
Es gehört zum Standardvorgehen der Wirtschaft, Nachhaltigkeitsfragen in drei Körbe zu legen: Umwelt, Soziales und Governance. Am Anfang folgen wir dieser Methode, um einen Überblick über alle identifizierbaren Fragen zu gewinnen, die wir dann im Research-Prozess adressieren wollen. Wenn wir aber in die Phase der vertieften Analyse kommen, erweist sich diese Standardaufteilung oft als wenig nützlich.
Gibt ein Unternehmen zum Beispiel an, Ziel seiner Nachhaltigkeitsstrategie sei eine Reduktion des CO2-Ausstoss, müsste dieses diese Absicht durch entsprechende Anreize für das Management unter Beweis stellen. In unserer Governance-Analyse würden wir deshalb die Managementvergütung analysieren und nach konkreten Anreizen wie höhere Boni für das Erreichen eines grüneren Energiemix im Vergleich zum Vorjahr suchen. Deswegen erscheint es uns sinnvoller, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten und zu verstehen, wie die verschiedenen Themen miteinander verflochten sind und sich gegenseitig beeinflussen.
Ein anderes Beispiel für eine Herausforderung, die sich möglicherweise stellt, findet sich in unserem Fokus auf Diversität. Dies wird in der Regel als soziales Problem angesehen, zuweilen aber auch als Frage der Governance. Da wir aber Nachhaltigkeit ganzheitlich sehen, spielt es für uns keine Rolle, zu welcher ESG-Sparte das Thema gehört. Vielmehr sehen wir Diversität als Frage der Nachhaltigkeit, aber auch des Risikomanagements, weil diverse Teams ein breiteres Spektrum an Themen ansprechen können und weniger anfällig für Gruppendenken sind.
Bevor wir – wie bereits erwähnt – zu einem ausgewogenen Urteil über die Diversität eines Managements kommen, fokussieren wir uns auf das Geschlechterverhältnis, weil dieses quantitativ gemessen werden kann. Das ist oft weniger einfach als man denkt. So müssen etwa die grossen französischen Unternehmen seit der Verabschiedung des Rixain-Gesetzes im Jahr 2021 einen Frauenanteil von mindestens 30 % im mittleren und oberen Management bis 2026 erreichen. Viele andere Länder machen den Firmen keine vergleichbaren Vorgaben. Zahlen von 2021 zeigen, dass der Frauenanteil im Management von Firmen, die in Deutschland gelistet sind, bei 8,2 % liegt und in Japan lediglich bei 2,3 %.
Unsere Erwartungen ändern sich nicht von Land zu Land. Doch muss das, was als fortschrittlich gelten kann, im Kontext des jeweiligen Landes beurteilt werden. Wenn ein französisches Unternehmen einen Frauenanteil im Management von 30 % ausweist, erfüllt es lediglich das gesetzliche Minimum. Wenn ein japanisches Unternehmen ein ähnliches Verhältnis erreicht, ist dies ein Beweis dafür, dass ihm Geschlechterdiversität ein wichtiges Anliegen ist. Das bedeutet für uns, dass wir Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachten und die Daten in ihrem kulturellen Kontext verstehen müssen. Dies kann manchmal eine Herausforderung sein, aber wir geben unser Bestes. Wenn wir das Gefühl haben, nicht genug zu tun, oder wenn wir eine Idee haben, wie wir unseren Analyseprozess weiter verbessern können, integrieren wir solche Änderungen jeweils in unseren nächsten Researchzyklus.
Erstveröffentlichung: 21.07.2022 Neuste Version: 21.07.2022