Jede Anlagestrategie braucht eine Quelle für neue Anlageideen. Unser quantitatives Screening-Modell spürt Aktien auf, an die wir vielleicht nie gedacht hätten. Denn unbeeinflusst von menschlichen Vorurteilen konzentriert es sich auf das Wesentliche.
Markteffizienzhypothese
Eugene Fama, Professor an der University of Chicago, wurde 2013 für seine umstrittene «Markteffizienzhypothese» mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Diese Hypothese besagt, dass an Kapitalmärkten Informationseffizienz herrsche. Das bedeutet: Alle verfügbaren Informationen über ein bestimmtes Unternehmen spiegeln sich im Preis seiner Aktie wider. Laut dieser Hypothese ist es deshalb unmöglich, mit der aktiven Auswahl von Aktien auf der Basis öffentlich zugänglicher Informationen dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne am Aktienmarkt zu erzielen. Es überrascht nicht, dass passive Geldanlagen auf dieser Hypothese fußen. Statt sich auf die Auswahl einzelner Aktien zu konzentrieren, decken passive Anlagen mittels Indexfonds den gesamten Markt ab. Schließlich kann man sein Portfolio auch einfach diversifizieren, wenn es – wie die Hypothese impliziert – ohnehin keine bessere Alternative gibt.
Doch wie kommt es dann, dass Anleger wie Warren Buffet durch eine sorgfältige Aktienauswahl über einen längeren Zeitraum hinweg bessere Renditen als der Marktdurchschnitt erzielen – trotz Ölpreisschock, Schwarzem Montag, Dotcom-Blase oder globaler Finanzkrise? Schauen wir uns Famas Hypothese etwas genauer an. Sie basiert auf der Annahme, dass alle Anleger jederzeit gleichen Zugang zu allen verfügbaren Informationen haben. Zudem setzt die Hypothese voraus, dass alle Marktteilnehmer stets rational handeln. Unter diesen Annahmen ist die Hypothese stichhaltig und konzeptionell interessant.
Mängel
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Die Forschungsergebnisse der modernen Verhaltensökonomie zeigen: Viele Entscheidungen werden auf der Basis unvollständiger Informationen getroffen und sind aufgrund psychologischer Faktoren wie Gruppendruck, begrenzte kognitive Fähigkeiten oder Emotionen wie Ungeduld, Aufregung, Panik oder Gier keineswegs rational. Darüber hinaus treffen die Annahmen, die der Markteffizienzhypothese zugrunde liegen, zwar für die meisten Aktien zu, aber nicht für alle. Manchmal wird ein Unternehmen nur von wenigen Anlegern beobachtet und von den Analysten der Banken völlig ignoriert.
Sprachbarrieren schränken den gleichberechtigten Zugang zu allen Informationen häufig ein. Und die Aufnahmekapazität eines einzelnen Anlegers reicht nicht aus, um alle verfügbaren Informationen über etwa 50.000 börsenkotierte Unternehmen weltweit zu verarbeiten. Deshalb muss es auch Aktien geben, deren Preis den Wert des Unternehmens nicht umfassend widerspiegelt. Sogenannte Ausreißer.
Die Suche nach Ausreißern
Wir gehen von der Annahme aus, dass es Aktien gibt, deren Preis aus verschiedenen Gründen vorübergehend von ihrem intrinsischen Wert abweicht. Wie finden wir diese Unternehmen? Hier kommt das Screening-Modell ins Spiel. Mittels Aktien-Screening können innerhalb kurzer Zeit zehntausende Aktien durchleuchtet, sortiert und ausgewählt werden. Joel Greenblatt, außerordentlicher Professor an der University of Columbia in New York, hat diese Methode zur Erzielung überdurchschnittlicher Renditen sowohl theoretisch als auch praktisch erfolgreich getestet. Überzeugt von diesem gut strukturierten, konsequenten Ansatz haben wir unser eigenes Aktien-Screening-Modell entwickelt, das bei den Quant Awards 2012 mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Basierend auf Bewertungs- und Bonitätskennzahlen sucht das Modell nach preiswerten Aktien mit einem günstigen Risikoprofil. Im Laufe der Zeit haben wir unser Modell weiterentwickelt. Heute durchleuchtet das «DRF Quant Model» emotionslos und effizient alle Aktienmärkte weltweit und berücksichtigt bei der Suche nach potenziellen Anlagen weitere Kriterien, darunter Rentabilitäts- und Nachhaltigkeitsparameter, z. B. CO2-Emissionen.
Quelle neuer Ideen
Das Screening-Modell liefert uns immer wieder neue Anlageideen und sorgt für Kontinuität in unserem Anlageprozess. Es ist uns wichtig zu betonen, dass jeder Anlage eine eingehende Analyse der Fundamentaldaten des Unternehmens vorausgeht, auf die wir sehr stolz sind. Das Screening-Modell dient uns lediglich zur Generierung neuer, vielversprechender Anlageideen. Dadurch sind wir z. B. auf das belgische Mikroelektronikunternehmen Melexis, den amerikanischen Netzwerkkomponentenhersteller Ubiquiti oder den dänischen Medizinprodukteanbieter Coloplast gestoßen. So kommen wir auf andere, ungewöhnliche Ideen, statt uns nur vertraute Unternehmen anzusehen. Dies trägt dazu bei, dass unser Portfolio gut diversifiziert ist. Natürlich verwerfen wir auch oft Ideen, die im Screening-Prozess entstehen, und stellen die Analyse ein, nachdem wir uns einen tieferen Einblick in das Unternehmen verschafft haben. Bei unserer eingehenden Analyse konzentrieren wir uns vor allem auf qualitative Faktoren wie ein verständliches Geschäftsmodell, Vision der Geschäftsleitung, Strategiefehler oder schwer quantifizierbare Risikofaktoren. Das Screening stellt deshalb lediglich den ersten Schritt dar.
Fazit
Die eingeschränkte Verfügbarkeit verständlicher Informationen, die begrenzte Aufnahmekapazität des Menschen sowie emotional bedingt irrationale Entscheidungen können dazu führen, dass bestimmte Aktien zeitweilig zu absurden Preisen gehandelt werden. Ein quantitatives Modell kann uns helfen, diese Aktien zu ermitteln. Anschließend analysieren wir, ob wir tatsächlich auf eine interessante Anlagemöglichkeit gestoßen sind oder ob sich der niedrige Preis durch einen qualitativen Faktor erklären lässt. Durch bloßes Brainstorming würden wir nie auf so viele und interessante Ideen kommen. Und deshalb ist unser Screening-Prozess nicht nur eine Ideenquelle, sondern sorgt auch dafür, dass unser Portfolio diversifiziert bleibt.
Erste Veröffentlichung: Oktober 2014
Aktuelle Version: Dezember 2024